Nur mit deinen Augen by Bielen Valerie

Nur mit deinen Augen by Bielen Valerie

Autor:Bielen, Valerie
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2014-01-01T05:00:00+00:00


Kapitel Acht

Ich konnte froh sein, dass die Scarpas mir wenigstens in dieser Woche ein paar Erledigungen auftrugen, die sich von meinen sonstigen Tätigkeiten abhoben, Abwechslung in meinen Alltag brachten und mir so das Warten bis zum Sonntag erleichterten. Allerdings hatte Signora Scarpa sich offenbar entschlossen, ständig zu kontrollieren, ob ihre Anordnungen auch ausgeführt worden waren. In mir wuchs das seltsame Gefühl, dass sie sicherstellen wollten, dass ich keine Zeit finden würde, Tobia zu sehen, und mehrmals schien es mir fast so, als würde mich jemand beobachten und bei meinen Erledigungen in der Stadt verfolgen, doch nie konnte ich Signora Scarpa ertappen. Einer der eher ungewöhnlichen Aufträge, den mir die Scarpas in dieser Woche auferlegten, war die Aufgabe, am Mittwoch einen Freund der Familie am Parkplatz der Piazzale Roma zu empfangen und zum Apartment zu begleiten. Ich war froh, an diesem strahlenden Frühsommertag die immer noch kalte und klamme Wohnung verlassen zu können.

Der Freund der Scarpas, ein gewisser Signore Piatti, war mit dem Auto gekommen. Ich sollte ihn vor dem großen Parkhaus erwarten. Noch immer hatte ich nicht verstanden, warum irgendjemand überhaupt mit dem Auto nach Venedig kommen wollte, wo es in der Stadt doch absolut nicht zu nutzen war. Aber es sollte nicht meine Sorge sein.

Müde von den Einkäufen, die ich an diesem Morgen schon erledigt hatte, erreichte ich die Großgarage und schaute mich um. Autos fuhren ein und aus, ganz langsam und vorsichtig, doch dann raste ein gelber Porsche mit quietschenden Reifen heran und zog in einer Kurve haarscharf an mir vorbei.

»Was für ein Rüpel!«, entfuhr es mir.

Zwar hatte ich den Fahrer nur für einen kurzen Augenblick gesehen, aber er war mir sofort mit seiner großen schwarzen Sonnenbrille und zurückgegelten Haaren unsympathisch gewesen. Ohne Zweifel: Es war Stefano Prode gewesen, Tobias Bruder.

Ich erinnerte mich. Tobia hatte erwähnt, dass Stefano nach Venedig kommen und dann nach Mailand weiterfahren würde. Sosehr mich der Anblick von Tobias Bruder angewidert hatte, so erleichtert stellte ich fest, dass ich ihm wohl nicht begegnen würde.

Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen, denn in diesem Augenblick trat Signore Piatti, ein gutaussehender, elegant gekleideter Mann mit weißmelierten Schläfen, aus dem Parkhaus und erkannte mich an Signora Scarpas Erkennungszeichen – dem großen senfgelben Schlapphut, den sie mir aufgezwungen hatte, selbst aber sicherlich nie getragen hätte. Signore Piatti begrüßte mich höflich. Verschämt nahm ich den Hut ab und bedeutete Piatti, mir zu folgen. Aber er reagierte gar nicht auf meine Aufforderung, sondern sah mich auf einmal starr und fragend an.

»Stimmt etwas nicht?«

Ich war mir nicht sicher, was ich getan haben könnte, das ihn so erschreckt hatte.

»O nein.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist nur …« Er schien fast zu stottern. »Nachdem Sie den Hut abgenommen hatten, haben Sie mich gerade für einen Augenblick an jemanden erinnert, der mir nahesteht.« Er fand wieder zu seiner distanzierten Haltung. »Lassen Sie uns gehen.«

Ohne viele Worte mit ihm auszutauschen, begleitete ich Signore Piatti zum Apartment, wo die Scarpas ihn überschwänglich begrüßten, während ich sein Gepäck im Gästezimmer abstellte. Ich war angewidert von ihrer aufgesetzten Freundlichkeit.



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